Und in eben so einem waren wir letzte Woche untergebracht.
Eine fuenfkoepfige Familie, irgendwo in den Bergen, ohne Bad, ohne Kuehlschrank, und im ersten Moment auch nicht wirklich mit etwas, was ich als Kueche verstanden haette..
Was ich da zuerst erlebt habe kann man wohl am Besten mit einem Kulturschock beschreiben. Das Wort kannte ich eigentlich schon vorher, aber ich glaub es wird im Allgemeinen etwas inflationaer gebraucht. Ich sass irgendwann am ersten Tag mittags auf meinem Bett, fing an zu weinen und waer am Liebsten sofort abgehauen, in ein Hotel mit Himmelbett, Badewanne und irgendeinem Luxusschwachsinn wie Spitzenvorhaengen und Fernseher. Eine Reaktion, von der ich selbst total ueberrascht war. Und auf die ich auch absolut nicht stolz bin.
Ich war gottfroh dass Michael da war. Erstens weil er Spanisch spricht und ich sonst wahrscheinlich nur ein Drittel der Geschichten der Familie verstanden haette. Nicas verschlucken gerne alle s oder lassen auch gern mal den letzten Teil eines Wortes einfach weg. Da hat sogar Michael trotz mexikanischer Mama manchmal Probleme alles zu verstehen. Und zweitens einfach nur um nicht allein zu sein.
Unsere Aufgabe war es einfach nur, etwas im Haushalt mitanzupacken. Als wir schon morgens beim Tortilla machen das Gefuehl hatten den Fruehstuecksvorbereitungsprozess eher auszubremsen, waren wir von unserem Hilfspotential noch nicht sehr ueberzeugt. Umso netter war es dann, wenigstens beim Garten giessen nuetzlich sein zu koennen. Das artet doch in eine groessere Aktion aus, wenn man fuer jeden Kuebel erst mal runter zum Brunnen springen muss. Bryan, der aelteste Spross von 7 Jahre, hat sich hierbei als vollendeter Gentleman erwiesen, bog mir Bananenblaetter aus dem Weg und bestand darauf, dass ich den kleinsten Eimer trage.
Am zweiten Tag durften doch sogar schon einige meiner Tortillas auf die heisse Platte ohne von Lesvia nachbearbeitet zu werden. Da war dann auch der groesste Teil meines sonnigen Gemuetszustandes schon wieder hergestellt, so dass ich mich sogar mit der morgentlichen Dusche am eiskalten Brunnen anfreunden konnte.
Spaetestens am dritten Tag war klar, dass wir gerne noch ein wenig bleiben wollten, und auch der Familie war das recht.
Fuer Ostern wurden Tamales zubereitet, ein Maisbrei, die in Bananenblaetter eingeschnuert und dann gekocht wird. Der Mais wird dafuer vorher laengere Zeit in Asche eingelegt. Ich muss noch rausfinden fuer was das gut ist, das hatte ich nicht ganz kapiert. Ich moecht echt wissen wie viele Kilo Mais wir gewaschen haben, das nahm kein Ende...
Hier waren die hoechsten Feiertage Donnerstag und Freitag, und wir wurden gefragt ob wir mit zum Gottesdienst moechten. Da aber Michael grosse Bedenken hatte, dass seine Haut beim Betreten einer Kirche eventuell zu brennen anfangen koennte, zogen wir es vor am Karfreitag -anstatt vier Stunden Prozessionsumzug in der Sonne-
lieber ein paar Stunden mit Lesvia in der Sonne Kuhmist zusammenkratzten um daraus Duenger herzustellen.
Und das alles, kiloweise Mais waschen, zwanzig Mal am Tag zum Brunnen springen, dreimal am Tag warme Mahlzeiten fuer viele hungrige Menschen vorbereiten (alles frisch per Hand, gibt ja keinen Kuehlschrank)... das sind ja keine Arbeiten, die die sich ausdenken, damit die armen Stadtkinder was zu tun haben. Das macht die gute Frau sonst einfach hauptsaechlich alles allein.
Schon sehr ungewohnt, wenn man als verwoehnter Schreibtischstudent, dessen Kochrepertoire kein Gericht enthaelt fuer das mehr als 20 Minuten Kuechenarbeit notwendig waeren, in eine Welt stolpert, in der jede Aufgabe mit koerperlicher Arbeit verbunden ist.
Wenn allerdings das Essen vorbereitet, Holz geholt, der Garten gegossen und die Waesche gewaschen ist, ist dafuer aber auch schon das Tagwerk getan. Und dann kehrt eine Art Ruhe ein, so ruhig wie diese gesamte verlassene Gegend. Irgendwie schoen. Und ganz anders.
Manche Dinge sind dagegen genauso wie daheim. Kleine Kinder die mit grosser Wichtigkeit verkuenden dass sie jetzt Puhpuh muessen und danach mit runtergelassenen Hosen in der Gegend rumspringen und sich auffuehren wie die Koenige der Welt sind immer grosses Kino. Abends mit einer Gitarre zusammensitzen ist immer gemuetlich. Und alle Babys riechen nach Baby.
Nach der Woche ist einem der Abschied dann doch fast etwas schwer gefallen, aber E-Mails wurden ausgetauscht (nein, gibts hier natuerlich nicht, aber der Papa arbeitet in Estelí und da gibts Internet-Cafés) und alle nochmal geknuddelt,
bevors fuer uns dann weiter in eine noch etwas hoeher gelegene Gegend von Miraflor, dem eigentlichen Nebelwald ging. Der war uns aber ganz wohl gesonnen, gab uns zwei wunderschoene erholsame sonnige Ostertage in einem netten kleinen Hostel mit einem liebevoll angelegtem Garten, und zeigte erst am Montag woher er seinen Namen hat.
So haben wir uns am Montag wieder zurueck nach Estelí verkruemelt (hauptsaechlich fuer Internet und Telefon, man muss doch ganz dringend die Mama zu Ostern noch anrufen!) und werden uns heut auf den Weg Richtung Sueden machen, Managua - Granada - Ometepe, falls da zwischenzeitlich kein Vulkan ausbricht - San Carlos mit Endziel Rio San Juan, Regenwald.
Die in León angebotene Regenwaldtour hatte sich naemlich bei einer Internet-Recherche als doch nicht ganz so verlockend herausgestellt. Beschreibung: etwa 4 Tage Anreise (so wird aus den angepriesenen 12 Tagen nur noch eine Woche), dann einen Fuehrer vor Ort nehmen (den kann man auch selbst vor Ort suchen, dann hat man auch mehr Auswahlmoeglichkeiten was Tour und Route angeht), anschliessend Rueckflug nach León (eben dieser gibt den Ausschlag fuer den hohen Preis, aber ich will ja gar keinen Rueckflug nach León). Ausserdem erhaelt man jedesmal wenn man fragt eine andere Preisauskunft. Scheint ein bisschen desorganisiert, der Laden. Und desorganisiert sein kann ich auch ganz gut selber.
Michael war schon am Rio San Juan, und meinte da wars so schoen, er wuerd sofort nochmal hin. Ausserdem ist er eh auf dem nach Corn Islands, da liegt das ganz gut. Und ab da war das Zusammenreisen schon geplant.
Ich drueck euch ganz lieb und mach mich jetzt erst mal auf viele Stunden im Bus gefasst. Moegen alle noch ein paar Ostereier nachtraeglich finden... :)
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